Aktuell

Einziehung von Mobiltelefonen in den Schulen

Zur Aktuellen Diskussion in den Medien

Einleitung Am 27. Mai 2019 berichtete Espresso von Radio DRS über die strenge Praxis der Freiburger Schulen bei der Einziehung von Mobiltelefonen von Schülerinnen und Schülern. Am 28. Mai 2019 griff 20minuten dieses Thema in einer leicht erweiterten Berichterstattung auf. Die Praxis im Kanton Freiburg wie auch die Medienberichterstattung bedürfen der Kommentierung. Daniel Kettiger verfasste in der Fachzeitschrift Bildung Heute 10/2007 (S. 22) zu dieser Thematik einen Artikel, welcher inhaltlich auch heute noch volle Gültigkeit hat: https://www.lch.ch/publikationen/bildung-schweiz/dokument/10-2007/ bzw. https://www.lch.ch/fileadmin/files/documents/BILDUNG_SCHWEIZ/2007/10_2007.pdf Grundsätzliches Die Einziehung von mobilen Endgeräten von Schülerinnen und Schülern, insbesondere von Mobiltelefonen, stellt einen Eingriff in deren Eigentumsrechte und Kommunikationsgrundrechte dar. Angesichts der Tatsache, dass sich moderne Familien mit zwei arbeitenden Elternteilen oder Patchwork-Familien oft nur via Mobiltelefone (SMS, Whatsapp, etc.) organisieren lassen, stellt die Einziehung von Schülerhandys über die Unterrichtszeit hinaus zudem oft auch einen Eingriff in Elternrechte dar. Völlig falsch und rechtlich unhaltbar ist die folgende Aussage des Lehrervebandspräsidenten Beat W. Zemp: „Im Rahmen des Anstaltsrechts darf jede Schule Regeln bezüglich der Kleidung, des Verhaltens und deshalb auch bezüglich der Handynutzung erlassen.“ Ob und wie weit Schulen und welche Schulbehörde in solchen Fällen allenfalls Reglemente zu Verhalten und Kleidung von Schülerinnen und Schülern erlassen dürfen und ob solche Reglemente von Schulen auch disziplinarische Sanktionen enthalten dürfen, bestimmt das jeweilige kantonale Recht. In zahlreichen Kantonen (z.B. Basel-Landschaft und Freiburg) hat der kantonale Gesetzgeber abschliessende Regelungen erlassen, die keiner Ergänzung in Reglementen der Schulen bedürfen. Zur Situation im Kanton Freiburg Im Kanton Freiburg haben es die zuständigen kantonalen gesetzgebenden Behörden eben gerade nicht den Gemeinden oder Schulen überlassen, die Frage der Nutzung von Mobiltelefonen an Schulen zu regeln. Gestützt auf Art. 39 des Schulgesetzes (SchG; SGF 411.0.1) hat der Staatsrat (Kantonsregierung) die Verwendung von mobilen Endgeräten in Art. 66 Abs. 2-5 des Reglements zum Gesetz über die obligatorische Schule (SchR; SGF 411.0.11) geregelt. Gemäss Art. 66 Abs. 2 SchR ist der Gebrauch von elektronischen Geräten während der Schulzeit verboten, ausser er wird von der Lehrperson oder der Schule erlaubt. Verboten ist somit nur der Gebrauch der mobilen Endgeräte und nicht etwa das blosse Mitführen auf dem Schulareal. Als „Schulzeit“ gilt für alle Schülerinnen und Schüler die Zeit, die ihrem wöchentlichen Stundenplan, einschliesslich der Pausen und der Zeit für den Wechsel und die Transporte zwischen den Lektionen, entspricht (Art. 32 Abs. 1 SchR) – das Handyverbot gilt somit auch in den Pausen. Bei einem Verstoss gegen dieses Verbot kann die Schule diese Gegenstände und Produkte umgehend einziehen (Art. 66 Abs. 3 SchR); sie werden der Schülerin oder dem Schüler oder den Eltern wieder ausgehändigt, und zwar zu einem von der Schulleitung bestimmten Zeitpunkt innerhalb einer Frist von spätestens zwei Wochen nach dem Einziehen des Gegenstands (Art. 44 Abs. 4 SchR). Es ist vorab fraglich, ob ein Verbot von Mobiltelefonen während den Pausen einen zulässigen Eingriff in die Eigentums- und Kommunikationsgrundrechte der Schülerinnen und Schüler darstellt, da eine solches Verbot zur Sicherstellung des geordneten Schulbetriebs, insbesondere des geordneten Unterrichts, wohl kaum notwendig und in dieser generellen Form deshalb unverhältnismässig ist (Art. 36 BV). Bei der im Reglement genannten Entzugsdauer handelt es sich um eine Obergrenze. Die in den Medien geäusserte Auffassung von Herrn Prof. Dr. Bernhard Waldmann (Universität Freiburg), dass ein Entzug von Mobiltelefonen bis zu zwei Wochen (auch als Obergrenze) als blosse disziplinarische Massnahme unverhältnismässig ist, ist zutreffend. Da das Reglement eine Obergrenze festlegt, darf ein Mobiltelefon nicht ohne weiteres in jedem Fall zwei Wochen entzogen werden, sondern es muss in jedem Einzelfall adäquat festgelegt werden, wie lange das Mobiltelefon entzogen bleibt. Bei einem erstmaligen bzw. einmaligen (kurzen) Verstoss gegen das Benützungsverbot von Mobilgeräten, ist ein Entzug von höchstens 12-48 Stunden noch verhältnismässig. Das zeigt sich auch im Vergleich mit anderen Kantonen. Im Kanton Basel-Landschaft eingezogene Mobiltelefone müssen den Schülerinnen und Schülern am Ende des Vormittagsunterrichts, spätestens aber am Ende des Nachmittagsunterrichts zurückgegeben werden (§ 7 Abs. 2 Verordnung über denn Kindergarten und die Primarschule; SGS641.11). Eine ähnliche Praxis besteht im Kanton Zürich (vgl. Leitfaden Schulpflicht, Disziplinarmassnahmen und Elternpflichten des Volksschulamts, S. 11). Eine solche Massnahme ist einerseits zielführend, weil sie die Störung im Unterricht beseitigt, und  ist andererseits von der Eingriffsintensität her auch verhältnismässig. Auch hier stellt sich die Frage, ob der Staatsrat einen solch einschneidenden Entzug von Gegenständen auf Verordnungsebene beschliessen darf. Man muss sich bewusst sein, dass der vorläufige Einzug von Mobiltelefonen im Strafverfahren in einem (formellen) Bundesgesetz geregelt ist und von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden muss. Offene Fragen Eine bisher rechtlich noch wenig diskutierte und ungeklärte Frage, ist, ob ein disziplinarischer Entzug eines Mobiltelefongeräts nur das Gerät als solches oder auch die SIM-Karte erfasst, also die Frage, ob die Schülerin bzw. der Schüler oder die Eltern das Recht haben, die SIM-Karte vor der Beschlagnahmung zu entfernen. Ungeklärt ist auch die Frage, ob ein mobiles Endgerät von einer Schülerin bzw. einem Schüler auch dann eingezogen werden darf, wenn das Gerät Eigentum der Eltern oder von Drittpersonen ist. Rechtsschutz Herrn Prof Dr. Bernhard Waldmann kann nicht beigepflichtet werden, wenn er ausführt, man könne den Entzug von mobilen Endgeräten durch die Schule nicht anfechten, weil dieser nicht schriftlich angeordnet werde. Erstens können Verfügungen grundsätzlich mündlich eröffnet werden und sind als Verfügungen auch in dieser Form anfechtbar. Das Verwaltungsrechtspflegerecht des Kantons Freiburg kennt zwar kein Recht, bei einem Realakt eine Verfügung zu verlangen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung könnte man aber zweitens im Falle eines Entzugs des Handys durch die Schulleitung durchaus eine Feststellungsverfügung verlangen, wonach dieser rechtswidrig sei und die Schulleitung müsste dann eine anfechtbare Verfügung erlassen. Drittens kann man schlicht und einfach schriftlich das Handy von der Schule sofort zurückverlangen; wenn die Schule dies ablehnt, muss sie dies in der Form einer anfechtbaren Verfügung tun. Letztlich sei hier festgehalten, dass nicht nur die Eltern intervenieren können, sondern in bestimmten Fällen auch die Schülerinnen und Schüler  selber (unabhängig von den Eltern, allenfalls parallel zu den Eltern). Urteilsfähige Kinder dürfen sich für ihre (Grund-)Rechte selber wehren (Art. 11 Abs. 2 BV). Urteilsfähigkeit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 BV ist kontextbezogen; bezüglich eines Entzugs eines Mobiltelefons darf davon ausgegangen werden, dass sich Kinder ab 13 Jahren in der Regel der Tragweite der rechtlichen Regelungen und des faktischen Entzugs des Mobiltelefons vollumfänglich bewusst sind. Urteilsfähige Kinder können somit selber rechtlich handeln und rechtlich gegen den Entzug ihres Handys vorgehen. Sie können dazu auch einen Anwalt beiziehen und werden in diesem Falle in der Regel das Recht auf unentgeltliche Rechtspflege zugesprochen erhalten.